Miche, die Suche hat knapp eine Minute gedauert, wobei ich nur nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs gesucht habe.
BGH, Urteil vom 15. Oktober 1981 – 4 StR 398/81 –, BGHSt 30, 228-232, juris
Gründe
Am Vormittag des 26. Februar kam es bei starkem Nebel auf der Autobahn A. - H. im Raum L. - S. zu einem Ketten-Auffahrunfall. Ausgelöst wurde dieser Unfall dadurch, daß der Nebenkläger K, weil er entweder für die Sichtverhältnisse zu schnell oder unaufmerksam gefahren war, mit seinem Pkw Citroen Diane auf einen von dem Fahrer B ordnungsmäßig auf der rechten Fahrspur angehaltenen Lastzug auffuhr. Der Citroen stürzte um und blieb auf der Überholspur liegen; K konnte mit Hilfe von B unverletzt das Fahrzeug verlassen. Kurze Zeit darauf näherte sich auf der Überholspur der Angeklagte mit seinem Pkw Ford Granada mit einer für die Sichtverhältnisse zu hohen Geschwindigkeit von 75 km/h. Obwohl er sich von dem Zeitpunkt an, in dem das Hindernis vor ihm frühestens erkennbar war, verkehrsgerecht verhielt, gelang es ihm nicht mehr, rechtzeitig anzuhalten. Der Ford stieß mit einer Fahrgeschwindigkeit von noch etwa 40 km/h auf den Citroen und schleuderte ihn etwa 10 m nach vorn. Der Citroen erfaßte dabei den etwa 1 m vor ihm stehenden Nebenkläger und nach einigen weiteren Metern auch noch den wegeilenden Kraftfahrer B. Beide wurden verletzt. Unmittelbar nach dem Anstoß des Ford auf den Citroen prallte der nachfolgende, von M gelenkte Pkw Opel Rekord auf den inzwischen schräg gestellten Ford und schleuderte nach links auf den Grünstreifen. Auf die Körperverletzungen des Nebenklägers und des Kraftfahrers B hat sich dieser Aufprall nicht ausgewirkt. Danach fuhren zahlreiche weitere Fahrzeuge auf zum Teil ordnungsmäßig angehaltene Fahrzeuge auf. Wäre der Angeklagte mit einer den Sichtverhältnissen angepaßten Geschwindigkeit von nur 62 km/h gefahren, hätte er rechtzeitig anhalten können. Dann wäre allerdings der Opel Rekord des M auf den Ford des Angeklagten so aufgeprallt, daß dieser gegen den Citroen gestoßen, ihn ca. 5 m nach vorn geschleudert und den Nebenkläger erfaßt und etwa in gleichem Umfang verletzt hätte; B wäre nicht verletzt worden.
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung des Kraftfahrers B zu einer Geldstrafe verurteilt. Diese Verurteilung ist vom Angeklagten nicht angefochten worden. Wegen fahrlässiger Körperverletzung auch des Nebenklägers K hat die Strafkammer den Angeklagten nicht schuldig gesprochen. Sie ist der Auffassung, seine Pflichtwidrigkeit, die für die Sichtverhältnisse zu hohe Geschwindigkeit, könne für diese Körperverletzung nicht als ursächlich gelten, weil der Nebenkläger bei verkehrsgerechtem Verhalten des Angeklagten infolge des nahezu gleichzeitigen Aufpralls des Opel Rekord des M in etwa dem gleichen Umfang verletzt worden wäre. ...
Der Bundesgerichtshof hat allerdings in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Angeklagten und dem Tötungs- oder Verletzungserfolg (nur) dann entfällt, wenn der gleiche Erfolg auch bei verkehrsgerechtem Verhalten des Angeklagten eingetreten wäre oder wenn sich das aufgrund erheblicher Tatsachen nach der Überzeugung des Tatrichters nicht ausschließen läßt (vgl. ....elend lange Zitatenkette weggelassen).
In allen Anwendungsfällen dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof ausschließlich auf das Verhalten des Täters und seines Opfers abgestellt. Er hat die Pflichtwidrigkeit des Täters stets nur dann als nicht kausal behandelt, wenn (...) bei verkehrsgerechtem Verhalten des Täters das fehlerhafte Verkehrsverhalten des Opfers zu dem gleichen Erfolg geführt hätte, so beispielsweise die Trunkenheit des Radfahrers bei zu naher Vorbeifahrt des Lastzuges in BGHSt 11, 1, 7 oder das plötzliche Betreten der Fahrbahn durch einen (betrunkenen) Fußgänger vor einem mit überhöhter Geschwindigkeit heranfahrenden Kraftfahrzeug in VRS 21, 341, 342 und 26, 203, 204; vgl. ferner VRS 13, 220, 221; 23, 369, 370; 32, 37). Das gilt ausnahmslos auch für jene Fälle, in denen der Bundesgerichtshof die Kausalität der Pflichtwidrigkeit für den Erfolg gegenüber solchen Einwänden der Täter bejaht hat, denen nicht das festgestellte wirkliche, sondern ein gedachtes anderes Geschehen oder Verhalten zugrunde gelegt worden war (vgl. BGHSt 10, 369, 370; VRS 24, 124, 125; 54, 436, 437).
Der vorliegende Sachverhalt liegt anders. Hätte sich der Angeklagte der Unfallstelle mit einer den Sichtverhältnissen angepaßten Geschwindigkeit genähert und damit nicht pflichtwidrig gehandelt, hätte er sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten können. Weder er noch der Nebenkläger hätten in diesem gedachten Fall durch willentliches Verhalten zur Körperverletzung irgendwie beigetragen. Allein das zeitlich nachfolgende pflichtwidrige Verhalten des Kraftfahrers M., also eines Dritten, wäre dann für die Körperverletzung des Nebenklägers ursächlich gewesen. Dieser Erfolg wäre dann nicht aufgrund desselben, sondern durch ein ganz anderes Unfallgeschehen herbeigeführt worden.
Durch ein zeitlich nachfolgendes pflichtwidriges Verhalten eines Dritten, das den Eintritt des vorangegangenen strafrechtlichen Erfolges tatsächlich nicht beeinflußt hat, kann aber der ursächliche Zusammenhang zwischen der vorausgegangenen Pflichtwidrigkeit und dem bereits eingetretenen Erfolg nicht wieder beseitigt werden. ...
Der Strafausspruch kann bestehenbleiben. Das Tatgeschehen hat sich nicht verändert; der Schuldgehalt der Tat ist annähernd gleich geblieben; das Mitverschulden des Nebenklägers K ist erheblich. Danach ist auszuschließen, daß sich die Änderung des Schuldspruchs auf die Höhe der erkannten Geldstrafe auswirkt...